Kinder vegan ernähren oder nicht?


Viele Veganer hierzulande stehen vor dem gleichen Problem: Verlässliche Gesundheitsinformationen für vegan lebende Kinder und Jugendliche gibt es kaum. Eltern müssen größtenteils selbst Antworten finden auf Fragen wie: Welche Pflanzen sind gut für mein Kind? Deckt die vegane Ernährung bei Kindern diese mit dem benötigten Nährstoffbedarf? Und wie viel muss mein Kind täglich davon zu sich nehmen, damit es gesund bleibt?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät auf ihrer Webseite „aus Sicherheitsgründen“ öffentlich von einer veganen Ernährung für Kinder und Säuglinge ab: „Eine vegane Ernährung hält die DGE im gesamten Kindesalter für ungeeignet“, heißt es. In Gesprächen mit Medienvertretern distanzierte sich DGE-Pressesprecherin Antje Gahl jedoch von dieser Empfehlung: Bei einem vielseitigen Speiseplan sei eine vegane Ernährung bei Kindern durchaus möglich. Vorausgesetzt, kritische Nährstoffe werden supplementiert und Eltern ließen sich regelmäßig beraten.

Hilfreiche Tipps und vor allem verlässliche Informationen zum Nährstoffbedarf von Kindern suchen Eltern dennoch nach wie vor vergebens. Die DGE hüllt sich in Schweigen. Veganer bräuchten eine individuelle Empfehlung, rechtfertigt Gahl, das könne die Fachgesellschaft nicht stemmen.

Diese Informationslücke zu füllen, versucht Dr. Markus Keller. Er ist Ernährungswissenschaftler und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit alternativen Ernährungsformen. Keller veröffentlichte Bücher über vegetarische Ernährung und schrieb unter anderem Artikel für den Internetauftritt des Deutschen Vegetarierbundes (VEBU). Er sieht kein Problem darin, Kinder frei von Tierprodukten zu ernähren, vorausgesetzt, Eltern behalten in der veganen Ernährung bei Kindern die kritischen Nährstoffe im Blick.

Die nachfolgenden Informationen zur veganen Ernährung bei Kindern und Jugendlichen stammen von Dr. Markus Keller, der Veganen Gesellschaft Österreich sowie der Veganen Gesellschaft Schweiz.

Wichtige Nährstoffe bei der veganen Ernährung von Säuglingen


Stillen  ist das Beste für das Baby: Es stellt die optimale Nährstoffversorgung sicher, gibt Abwehrstoffe an das Kind weiter und festigt die Mutter-Kind-Bindung.

Frühestens ab dem fünften, spätestens nach dem siebten Lebensmonat sollte Beikost ergänzend auf dem Speiseplan stehen, um den vollständigen Energiebedarf des Kleinkinds zu gewährleisten. Zu Beginn der Beikost eignen sich gut verträgliche Gemüsesorten wie Kartoffeln, Kürbis und Fenchel. Bevorzugt das Kleinkind Obst, können Eltern ein Püree aus Äpfeln, Birnen oder Bananen reichen. Hirse ist ein sehr guter Eisen-Lieferant  für vegan lebende Kinder. Zudem ist sie glutenfrei und allergenarm –  was auf Amarant und Quinoa gleichermaßen zutrifft.

Für eine ideale Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren  eignen sich hochwertige Raps-, Lein- oder Hanföle, die zur Nährstoff-Aufwertung dem Brei beigemischt werden. Um eine Störung des Knochenstoffwechsels (Rachitis) zu vermeiden, muss der Säugling genügend Vitamin D  zu sich nehmen. Der Körper produziert es zwar mit Hilfe von Sonnenlicht selbst, dennoch sollten Eltern die Mahlzeiten ihrer Kinder täglich mit Vitamin-D-Supplementen anreichern. In den sonnenarmen Monaten Oktober und März empfehlen Experten dringend eine tägliche Gabe von zehn Mikrogramm Vitamin D. Auch Vitamin-B12-Supplemente  sind unerlässlich, um irreparable Gehirn- und Nervenschäden zu vermeiden und eine gesunde, vegane Ernährung zu gewährleisten. Damit der Körperspeicher nach der Geburt aufgefüllt wird, sind bis zum fünften Lebensmonat 0,4 Milligramm und ab dem sechsten 0,5 Milligramm täglich nötig.

Damit der erhöhte Energiebedarf gestillt wird, sollte das Baby zwischen dem siebten und zehnten Lebensmonat an proteinreiche Lebensmittel  herangeführt werden. Nüsse, Getreide und Hülsenfrüchte erhöhen die Energiedichte der Mahlzeit genauso wie beispielsweise pürierter Tofu und Soja-Joghurt.

Veganismus bei Vorschul- und Schulkindern


Eltern von Kindern in diesem Alter sollten auf eine ballaststoffarme Ernährung achten. Kinder haben kleine Mägen und zu viele Ballaststoffe können dazu führen, dass das Kind zu wenig Nährstoffe aufnimmt. Stattdessen sollte die Nahrung ausreichend gesunde Fette in Form von Avocados, Samen, Musen und Sojaprodukten enthalten. Ergänzend ist es ratsam, dem Kind hochwertige Öle wie Leinöl und Rapsöl anzubieten. Der Körper von Ein- bis Dreijährigen benötigt täglich 3 Teelöffel Öl, wovon mindestens ein Viertel Teelöffel Leinöl sein sollte. Vier- bis 13-Jährige sollten jeden Tag einen Teelöffel Leinöl und einen Esslöffel Rapsöl bekommen.

Calcium  ist unerlässlich für die Entwicklung von Knochen und Zähnen. Gute Quellen sind angereicherte Soja-Milch, Tahin, Melasse und Soja-Fleisch. Auch grünes Gemüse wie Wirsing und Grünkohl tragen zu einer ordentlichen Calcium-Versorgung bei und unterstützen die vegane Ernährung bei Kindern. Vitamin C sorgt für die ideale Aufnahme von Eisen, das reichlich in Vollkorngetreide und grünem Gemüse steckt.

Wie bei allen Veganern, muss Vitamin B12 auch bei Schulkindern unterstützend zugeführt werden. Sie benötigen zur altersgerechten Entwicklung fünf Mikrogramm täglich. An düsteren Tagen sind 20 Mikrogramm Vitamin D in Form von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll.

Vegane Jugendliche


Wachstumsphasen und vor allem die Pubertät sorgen für einen deutlichen Mehrbedarf an Nährstoffen und Energie. Das trifft in erster Linie auf Mädchen zwischen zehn und 13 und auf Jungen zwischen zwölf und 15 Jahren zu. Da die Knochendichte im Jugendalter festgelegt wird, ist es wichtig, die täglichen Gerichte mit Calciumquellen aufzuwerten. Bei Mädchen steigt der Eisenbedarf zudem enorm. Durch den Blutverlust während der Menstruation geht viel wertvolles Eisen verloren, das in Form von Grünkohl, Quinoa und Trockenfrüchten dem Körper wieder zugeführt werden sollte. Zu Eisenpräparaten sollte nur gegriffen werden, wenn vom Arzt ein Eisenmangel diagnostiziert wurde.

Jugendliche benötigen außerdem ein Mehr an Proteinen. Ein sportlicher 16-Jähriger, der 60 Kilogramm wiegt, benötigt täglich 54 Gramm Protein, um sich bestmöglich zu entwickeln. Bei weniger sportlichen Jugendlichen gilt als Referenzwert 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht bei Mädchen, bei Jungen ist es  0,1 Gramm mehr.

Vitamin B12 und Vitamin D müssen bei Jugendlichen supplementiert werden, der Bedarf nähert sich dem von Erwachsenen an.

Veganismus bei Kindern: Fazit


  • Der komplette Nährstoffbedarf kann bei einer veganen Ernährung nur gedeckt werden, wenn Eltern die Mahlzeiten der Kinder sorgfältig zusammenstellen. Obst und Gemüse reichen nicht aus, der Speisplan muss bunt sein und durch Nüsse, Samen und Getreide ergänzt werden. Eine kompetente Ernährungsberatung unterstützt Sie dabei.
  • Auf kritische Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren müssen Erziehungsberechtigte ein Auge haben, um Engpässe zu vermeiden. Ohne Nährstoffergänzung ist eine gesunde, vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen nicht möglich.
  • Ein regelmäßig durchgeführter Bluttest schafft Klarheit und belegt, dass keine Mangelzustände drohen.
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Sandra Stöckl-Bayerlein Neben der Medizin schlägt Sandra Stöckl-Bayerleins Herz auch fürs Texten: Deswegen war es wenig überraschend für ihr Umfeld als sie an ihr Studium der Zahnmedizin noch ein Medizinjournalismus-Studium anschloss: Auf diesem Weg verschaffte sie sich alle Kenntnisse, die ein erfolgreicher Online-Redakteur im medizinischen Bereich haben muss. Für kanyo® arbeitete sie von 2015 bis 2020. Sandra Stöckl-Bayerlein Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren